Die
Spieluhr
stammt ca. von 1910. Die Töne werden von einem Stahl-Kamm erzeugt,
dessen Zungen von einem Rädchen (eines je Zunge) angerissen
werden, das wiederum von den in die "Schallplatte" gepressten
Blech-Zinken getrieben wird. Das System nannte sich "Calliope"
und die Blechplatten wurden in Dippoldiswalde bei Dresden hergestellt.
Die "Titel" müssen dabei so komponiert und in einen
Tonsatz gebracht werden, dass nur Töne des "Kammes"
vorkommen und dass der gesamte Titel mit einer Umdrehung der "Platte"
abgespielt ist. Daher eignet sich die Spieluhr besonders für
Lieder, Choräle oder auch Märsche. Auch Mozart war sich
nicht zu schade, "Titel" für mechanische Spieluhren
zu komponieren.
Meine Spieluhr ist ein Erbstück. Diese kam 1945 folgendermaßen
in meine Familie:
Grossmutter kam vom "Stoppeln" vom Feld, wo sie mit vielen
anderen Hungrigen zwischen dem abgeernteten Getreide oder den gerodeten
Kartoffeln nach heißbegehren Resten für die Ernährung
der Familie gesucht hatte. (Stoppeln war natürlich bei der
Nachkriegs-Lebensmittelknappheit streng untersagt!).
Bei Eintreffen in der Stadt wurde sie jedoch von einer Person, die
eine Kiste unter dem Arm hatte, als "Stopplerin" enttarnt.
Nach erstem Schreck stellte sich heraus, dass lediglich ein Geschäft
vorgeschlagen wurde: "Gestoppeltes gegen Grammophon".
Schweren Herzens tauschte Großmutter den Sack gesammelte Nahrung
"gegen Musik" ein, u.a. weil sie musikbegeistert war.
Und da sie "auf der Flucht alles verloren" hatte, kam
ihr plötzlich die Idee, mit dem vermeintlichen alten Grammophon
"zwischen den Flucht-Rucksäcken und alten Matrazen"
wieder etwas "bürgerlichen Komfort" zu schaffen.
Folgende Choräle und Lieder habe ich von der Spieluhr aufgenommen
(Format mp3):
An der Weser
| Am Rhein
Lobet der Herren | Nun
danket alle Gott
Letzteren
Choral sang mir Großmutter oft zur Spieluhr-Begleitung vor.
Sie wolle dem lieben Gott dafür danken, dass die Familie Krieg
und Flucht überlebt habe und bitten, dass auch ihr jüngster
Sohn doch noch "von Stalingrad nach Hause" käme:
"Nun danket alle Gott mit Herzen Mund und Händen... der
uns ... unzählig viel zugut bis hierher hat getan. Der ewigreiche
Gott woll uns in unserm Leben ein immer fröhlich Herz und edlen
Frieden geben..."
gcjm
anläßlich der 49. Internationalen Soldaten-Wallfahrt
2007 zur Muttergottes von Lourdes
|